SCHWÄLBCHEN

Schwälbchen ist eine SIRIUS 31 DS, gebaut von einer kleinen Werft in Norddeutschland, deren Chef noch jedes von ihm gebaute Boot inklusive Historie, Zustand und Schuhgröße der Eigner kennt. Die Siriüsse sind bekannt als recht wertige, stäbige, aber gut segelnde Fahrtenyachten; sicher keine Rennziegen, aber doch weit entfernt vom gern etwas abschätzig geäußerten „Motorsegler“.

Schwälbchen in Zahlen und Fakten
Werft:                    SIRIUS-Werft Plön

Modell:                  Sirius 31 DS

Baujahr:                1995

LüA:                       9,45 Meter

WLL:                      8,20 Meter

Höhe:                     13 Meter

Gewicht:                5000 Kg

Ballast:                   2150 Kg

Segelfläche a.W.:   41 m2

Motor:                    Volvo Penta Diesel 2040, 39 PS

Antrieb:                 Saildrive, Falt-Propeller

Dieseltank:             75 Liter

Frischwasser:         150 Liter

Boiler:                     20 Liter

Schwarzwasser:     65 Liter

Auf Deck

Der erste, vielleicht etwas behäbige Eindruck des Schwälbchens wird dominiert von dem hölzernen Decksalon, denn DS steht für Decksalon. Der ist beim Segeln etwas gewöhnungsbedürftig, denn der Aufbau ist so hoch, dass man beim Segeln quer durch den Salon schauen muss – oder im Stehen segelt: Beileibe kein Flushdecker! Vorteil: Der hohe Salon garantiert sehr trockenes Segeln. Das Dach ist begehbar, die Damen lieben es als Sonnendeck, und das Energiemanagement hat Platz für ein begehbares XXL-Solarpanel.

Im Alltag entfaltet das Schwälbchen die Rollfock und ein Groß, dass in den Baum gerollt wird; entgegen allem Geläster funktioniert die Baumrollanlage sehr gut und komplikationsfrei, es hilft aber, zu wissen, wie es geht. Und auch mit der Segelleistung bin ich zufrieden. Bevor die Sportsegler in der Leserschaft nun Muskelkater vom Naserümpfen bekommen: Ich segele das Schwälbchen zu mehr der Hälfte einhand; für mich ist Sicherheit ungleich wichtiger als Performance; für mich ist wichtiger, auf See nicht – oder nur im Ausnahmefall – die Plicht verlassen müssen, als dreieinhalb Zehntelknoten Speed und drei Grad mehr Höhe zu laufen: Ich darf noch fein segeln, wenn die Pogos sich schon im Hafen langweilen müssen.

Weitere Segel: Schwälbchen verfügt über eine Selbstwendefock, sehr komfortabel beim Aufkreuzen in engerem Gewässer, auf längeren Schlägen aber klappen die gelegentlichen Pinnenpilot-unterstützen Manöver auch mit der „Normalen“ ganz gut. Bei Leichtwind kann es auch schon mal farbenfroh werden, nämlich mit einem Gennacker; ein tolles Bild, hinter so einer bunten Blase herzufahren! Bei Starkwind kann es orange werden, mit Sturmfock und Try; vom Vor-Vorgänger übernommen, habe ich diese Segel nur mal übungshalber angeschlagen, denn bei dem dazu adäquaten Wetter verkrieche ich mich lieber im Salon, mach die Heizung an und lausche dem Pfeifen.

Die Plicht ist platzmäßig nicht allzu üppig, das Schwälbchen hat ein baujahr-typisches schmales Heck – was ich sehr schön finde –, zudem läuft der Traveller auch noch quer durch die Plicht und sorgt so für regelmäßige Schienbeinfärbung. Dann noch die Pinne, die für eine weitere Unterteilung sorgt – insgesamt ist es also besser, die Zahl der Mitsegler zu limitiere.

Die Sitzbänke sind asymmetrisch, steuerbords ist sie wegen der Tür etwas kürzer. Tür? Ja, das Schwälbchen hat eine veritable Tür nach drinnen, sehr nobel! Auf dieser verkürzten Steuerbordbank vorne ist auch der bevorzugte Arbeitsplatz des Skippers, Ausrichtung in Fahrtrichtung, Blick quer durch den Salon. Im Bummelmodus zieht es mich eher an den Backbord-Heckkorb, an dem der Rettungskragen in seiner Tasche für ein bequemes Rückenpolster sorgt.

A propos Heckkorb: Hier hängt alles, was man so nötig braucht – oder hoffentlich eben nicht: Rettungsinsel, Montagemast mit dreh- und kippbarem Solarpanel, Markierungsboje, Badeleiter/Gangway, Außenborder, Heckanker, Ankarolina. Mehr passt nicht. Deshalb fährt das neu gekaufte Beiboot in der Backskiste, auf dem Vorschiff, oder hinterher.

Noch einen Blick in die Backskisten: Die beiden vorderen üppig und fast mit Stehhöhe. Wenn man einmal drin ist, hat man mächtig Platz, aber der Eingang, diese Luken! Lang genug, aber nur 30 cm größte lichte Breite; da heißt es Brust und Bauch einziehen, und viel Spaß beim Wiederauftauchen. Zumal zwei große Gasflaschen, drei Batterien und die Heizung feste Plätze beanspruchen. Weiter achtern gibt es noch zwei weitere Kisten, die bis ins Heck reichen, deutlich flacher, aber auch besser zum organisierten Verstauen von Kleinkram.

Unter Deck

Der Decksalon hat mich schon bei meinem ersten Messe-Besuch auf einer Sirius beeindruckt, und seitdem hab ich mein Herz an Decksalonyachten verloren. Was für ein Platz, U-Sitzbank backbord, Pantry und Innensteuerstand steuerbords, alles in Mahagoni, sehr schiffig! Eben ein Decksalon. Und zwar ein echter Decksalon, nicht diese Visionen und ähnliche Möchtegerns, bei denen man im Stehen auch die unteren Teile des Himmels sehen kann. Nein, wer auf dem Schwälbchen im Salon sitzt, hat freie 360° Rundumsicht, was nicht nur im Hafen und vor Anker für einen gewissen Unterhaltungswert sorgt. Und den Innensteuerstand liebe ich immer wieder aufs Neue, wenn ich bei Schietwetter im Warmen sitze und mit den dickverpackten Segler mit fühle. Gerne auch mit säuselnder Heizung. Ja, ja, ich weiß: Weichei!

Ein zweiter Vorteil des Decksalonkonzeptes ist die Eignerkabine unter dem Salon: Mit einer deutlich über zwei Meter langen Koje, rechteckig überall knapp anderhalb Meter breit, einem zweifügeligen Schrank J und genug Platz, sich die Hose im Stehen anzuziehen; denn ja, auf dem Schwälbchen ist überall Stehhöhe – für mich jedenfalls.

Für Gäste steht die Bugkabine zur Verfügung, auch die ist zwei Meter lang, aber dreieckig, maximal einsachtzig und recht schmal am Fußende, so dass man entweder unterschiedlich lange Menschen dort unterbringt, oder Sich-Liebende, die dann ein wenig füßeln können.

Die „Nass“-zelle liegt zwischen Bugkabine und Salon, und wenn man beide Türen schließt, hat man auch hier ein richtig großes Abteil für die regelmäßigen biologischen Vorhaben und Reinlichkeitsbedürfnisse, samt einem großen Schrank über dem Schiebewaschtisch und einem riesigen Schrank auf der anderen Seite.

Überhaupt gibt es Stauraum ohne Ende, neben den Schranken in Kabinen, Nasszelle und Pantry gibt es große Bilgen (hier findet der Gast nicht nur die Wasser, sondern auch die Wein-Bilge), Ölzeugschrank, Stauraum unter den Kojen (im bisherigen Revier sorgte der Boiler unter der Eignerkoje immer für angenehme Zimmertemperaturen)

Unter Wasser und versteckt unauffällig

Das Schwälbchen wurde für flache Reviere ausgestattet, es hat einen bei ein Meter zwanzig Tiefgang einen sehr langen Kiel. Der Saildrive treibt einen zweiflügeligen Faltpropeller an, das Ruder ist ein massives Skegruder. Auch hier: Keine Konstruktion für vordere Plätze bei der Mittwochsregatta, aber solides und ruhiges Seeverhalten. Im Hafen bei Rückwärtsfahrt benimmt sich die alte Lady auch gerne mal leicht zickig, aber wenn man sich kennt und weiß, welchen Radeffekt sie am liebsten liefert, dann ist das auch einhand kein Problem.

Unter der Plicht, von drei Seiten über Backskisten und Eignerkabine zugänglich (na ja, was das auf Segelbooten so heißen mag), tuckert Johannes vor sich hin, ein 39 PS Volvo. Für 31 Fuß reichlich überdimensioniert ist er auch nicht ganz abstinent, je nach Belastung schlürft er anderthalb bis zweieinhalb Liter Diesel pro Stunde aus dem 75-Liter-Edelstahl-Tank unter meiner Koje. Bei 2000 Marschfahrt-Umdrehungen schiebt er das Schwälbchen mit fünf bis sechs Knoten vorwärts, aber selbst bei etwa 4000 Maximalumdrehungen geht’s nicht über acht Knoten, weil das Heck sich dreißig Zentimeter tiefer legt und festsaugt – der theoretischen Rumpfgeschwindigkeit folgend. Das sind zwar keine Spitzenwerte, aber Johannes meldet sich immer ohne Mucken zum Dienst, werkelt absolut zuverlässig und sorgt zudem noch für warmes Duschwasser aus dem Boiler unter der zweiten Eignerkoje, der bei Landanschluss auch elektrisch funktioniert.

Johannes’ Kumpel ist Lola, die Raymarine-Pinnenpilotin. Wie im richtigen Leben auch, sagt die Dame, wo es lang geht. Das macht sie ganz gut, und deshalb überlasse ich ihr über weite Teile der Törns die Pinne. Allerdings ist Lola bereits ein älteres – oder sagen wir lieber: erfahreneres – Modell, und so muckt sie gerne mal bei hohen Anforderungen, wie etwa völlig unpasssenderweise bei Starkwind, was den Skipper dann im Spannungsfeld von steuern und reparieren, gerne begleitet von dann zusätzlich auftretenden Katastrophen bevorzugt auf dem Vordeck, zu akrobatischen Multitasking-Bemühungen nötigt. Update 2016: Zu Saisonende teilte mir Lola unmissverständlich mit, dass sie jetzt zu alt wird für so nen Stress, und ging in Rente. Nachfolgerin wurde Lolita, eine Simard TP32, stark, leise, netzwerkfähig.

Lola bzw in Zukunft Lolita bezieht ihre Kenntnisse bezüglich der zu steuernden Kurse von einem flammneuen Simrad-Plotter in Verbindung mit Navionics-Gold-Karten. Schon irre, wie viel Information man aus dieser Kombination saugen kann, nicht nur Kurs und Geschwindigkeit innnerhalb des in der Auflösung veränderlichen Kartenausschnittes, Wassertiefen, Strömungen, Tiden, Tonnen und andere Seezeichen mit genauer Bezeichnung und Details, und so weiter. Nein, hätte ich die entsprechenden Sensoren, könnte ich Lola darüber steuern, Motordaten empfangen, mich nach der Wassertemperatur erkundigen … Aber wirklich wichtig ist für mich das aktive und passive AIS, das auch auf dem Plotter abgebildet wird. AIS ist ein System, mit dem Berufsschiffe und zunehmend auch Sportboote ausgerüstet sind. Mit AIS sehe ich die (AIS-ausgerüsteten) Schiffe im Umkreis von etwa zwanzig Seemeilen, samt Informationen zu Art und Größe der Schiffes, Kurs, Geschwindigkeit, Herkunft, Ziel, Alter des Smutjes. Das ist sehr entspannend, insbesondere bei viel Traffic, denn in meiner Paranoia hatte ich früher gerne mal – besonders im Dunklen – das Gefühl, dass diese Biggies auf Kollisionskurs bleiben, egal wohin ich steuere. Heute sehe ich zum Beispiel an der „Voraus-Linie“ lange im Voraus, ob ich auf Kollisionskurs fahre, wie nah wir uns kommen werden, und wann und wo es kracht, wenn keiner nachgibt.

Der Plotter hat seinen Platz in der Plicht gefunden, direkt neben der Tür, also an meinem Skipper-Arbeitsplatz, mangels stilechter Angebote in einem maßgefertigten Teakholzkasten. Alle Plotter-Daten können mittels GoFree auf ein iPad am Innensteuerstand oder zur abendlichen Törnplanung im Salon übertragen werden.

Für die Konservativen unter den Mitseglern, die noch gerne peilen, koppeln und versatz-rechnen: Ja, Kompass, Peilkompass, Log, Lot, Kartenschapp und Navigationsbesteck sind auch an Bord. Macht ja manchmal Spaß.

Mein rheinländische Kommunikationsfreude kann ich variantenreich ausleben, unter Deck an der neuen Simrad-Funke, an Deck am Mobilteil der Funke, und wenn das nicht reicht, steht auch eine Cobra-Handfunke zur Verfügung. Navtex, Radio und Internet mit leistungsstarker W-lan-Antenne informieren mich zusätzlich über alles Wichtige, oder was sich für wichtig hält. Der Außenkontakt ist also gesichert!

Sicherheit

Die See ist für mich nicht nur ein traumhaft schöner Ort, sondern auch ein potenziell gefährlicher, an dem ich als Binnenländer besonders acht geben muss, insbesondere, wenn ich einhand unterwegs bin.

Oberstes Ziel: Nicht reinfallen! Weil ein Strecktau – wie es leider aber vielfach üblich ist – auf dem Gangbord meines Erachtens eine zweitbeste Lösung ist – der Über-Bord-Gefallene wird seitlich oder hinter dem Boot hergeschleift – läuft bei mir das Strecktau quer über den Aufbau und das Vorschiff, ein Überbord-Fallen ist weitgehend ausgeschlossen. Wenn man denn eingepiekt ist, wozu ich mich zwingen muss. Auch in der Plicht gibt es Augen zum Einpieken.

Für den Fall aber, oder bei Westenpflicht etwa in französischen Schleusen, gibt es auf dem Schwälbchen Automatikwesten. Da auch die beste Weste nichts nutzt, wenn sie unbequem ist und deshalb nicht getragen wird, habe ich für das Mittelmeer eine Secumar Survival 220 N gekauft; sie ist ausgerüstet mit Schrittgurt, Spraycap (die schützt vor dem Einatmen der Gischt, offenbart eine ernst zu nehmendes Gefahr), Pfeife und Licht, in einer gesonderten Tasche findet mein Personal EPIRB Platz, also eine Rettungsboje, die im aktivierten Zustand via Satellit und Funk Hilfe anfordert.

A propos Hilfe anfordern: Als Inhaber des Fachkundenachweises Pyrotechnik, vulgo Knallschein, habe ich Fallschirmraketen, Hand- und Rauchfackeln an Bord.

Sollte es ganz dicke kommen, hängt am Heck eine Markierungsboje, ein Rettungskragen mit Licht und Leine, und letztlich die Zodiac-Rettungsinsel. Wenn ich auch bei einem ISAF-Lehrgang feststellen konnte, dass selbst in einem beheizten Wellenbad das Einsteigen in die Insel ganz schön schwierig ist, so mag sie trotzdem eine letzte Zuflucht bieten – auch bei Feuer an Bord.

Damit das aber nicht passiert, gibt es zwei Feuerlöscher, einen im Vorschiff, einer in der Backskiste (mit Fire-Port in den Motorraum, einer kleinen und verschließbaren Loch, das die Gefahr durch das Öffnen des Motorraumes im Brandfall verringert. In der Pantry gibt es noch die Brandschutzdecke, gegen den kleinen Pommes-Brand.

Unterm Strich:

Ich liebe mein Schwälbchen: Immer zuverlässig und stabil, auch wenn es mal heftiger kommt: Ich setze hohes Vertrauen in dieses Boot, auf See kann es so viel mehr als ich, wir haben einiges zusammen erlebt. Immer komfortabel und autark – ich fühle mich sehr wohl auf dem Schwälbchen.